Mein Enkel und der alte Klappstuhl

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Kunst, Persönlich, Wesensraum

Mein Enkel und der alte Klappstuhl

Was verbindet meinen Enkel wohl mit dem alten Klappstuhl in diesem Beitrag?

Der Kleine war es von Anfang an gewohnt, fotografiert zu werden – fast immer mit einem Handy.
Von mir kennt er es aber, dass ich Bilder nur mit einer meiner Kameras aufnehme.
Das hatte schon länger seine Neugier erregt.
Nun wird mein Enkel demnächst vier Jahre alt – und wünscht sich sehnlichst eine Kamera zum Geburtstag.
Und dieser Wunsch hat ganz viel mit dem besagten alten Klappstuhl zu tun, der hier zu sehen ist:

Als wir im Urlaub im lauschigen Biergarten in Aurich auf unser Essen warteten, nahm ich meine Kamera und fotografierte die Umgebung (vorheriger Beitrag). Eine weiße Treppe führte auf eine Dachterrasse. Dort fand ich den alten Klappstuhl neben ebenso ausgemusterten Tischen in einer Ecke stehen.
Der Kleine hatte unterdessen Langeweile bekommen und war mir hinterhergelaufen.
Er beobachtete mich, wie ich etliche Aufnahmen von dem klapprigen Stuhl und den alten Tischen daneben machte.
Sein Erstaunen und sein Unverständnis waren mit Händen zu greifen: „Warum machst Du Bilder von dem alten Stuhl? Der ist doch kaputt!“, fragte er endlich.
Ich versuchte, ihm mit einfachen Worten zu erklären, dass ich die Farben schön fand und dass sie gut zusammenpassten, dass das Licht gerade toll war, weil die Sonne alles warm leuchten ließ, dass, wenn eine Wolke vor der Sonne war, die Farben sich etwas änderten, dass die unterschiedlichen Linien, senkrecht, waagerecht und schräg, Spannung und Lebendigkeit in das Bild brachten und den Stuhl und die alten Tische vor dem Dach schön aussehen ließen, obwohl sie kaputt waren – und dass das ganze Bild immer ein kleines bisschen anders aussah, wenn man einen Schritt nach rechts oder links machte.

„Ah!“, sagte er nur – und ich sah, wie er kleine Schritte hin und her machte und das Szenario beobachtete.

Kleinkinder sind ja nun hauptsächlich bedürfnisorientiert. Erst mit und mit gewinnt in ihrem Bewusstsein die Außenwelt einen eigenen Stellenwert.
Ich nahm in der Situation deutlich wahr, dass der Kleine einen Aha-Effekt erlebte, einen Moment des Erwachens und Erkennens.
Er „sah“ plötzlich: das Licht, die Farben, die „Komposition“ – das Bild. Dass da eine spannende Welt zu entdecken war – auch in kleinen kaputten Dingen.
Dieser Moment hat ihn tatsächlich verändert. Er hat da einen Sprung gemacht.

Ja, der Kleine bekommt natürlich von mir eine Kamera zum Geburtstag. Kein buntes Kindermodell aus Plastik mit allem möglichen z.T. albernem SchnickSchnack wie Sound-Effekten, ablenkenden Spielen etc., denn ich möchte sein erwachendes Interesse nicht beleidigen.
Ich habe noch eine alte, kleine, leichte, sehr sehr einfache Reisezoom-Kamera aufbewahrt, die ich schon vor vielen Jahren gegen neuere Modelle ausgetauscht hatte – die aber noch gut funktioniert: eine Panasonic Lumix TZ5.
Damit kann er – auf Automatik gestellt – seine ersten Erfahrungen machen. Er ist ganz begierig, zu lernen.
Und wenn die Kamera kaputtgehen sollte, was bei einem Vierjährigen nicht auszuschließen ist, hält sich der Verlust in engen Grenzen.
Das Ganze macht mich gerade ziemlich glücklich.

 

Thema mit leichten Variationen von Licht, Farbe und Perspektive …

4 Kommentare

  1. Das Glück der Großeltern! Welches Kind hat die Möglichkeit, so die Welt zu erkunden? Erziehung zum Sehen!
    Immer wieder frage ich mich, warum solche Beiträge keinen niedergeschriebenen Anklang finden!

  2. Doch, werter Volker Krause, solche Artikel finden Anklang. Aber das „niedergeschrieben“ ist in der Sprachlosigkeit unser Zeit ein Problem – wenn auch nicht bei mir. Zu Weihnachten wird meine Enkeltochter – mit dann knapp drei Jahren – den ersten Fotoapparat vom Opa bekommen.
    Meine eigenen Kinder sind mehr mit dem Smartphone unterwegs, aber das Auge ist da. Und zwei Neffen habe ich als Co-Autoren in Wort und Bild für ein gernerationsübergreifendes Kommunikationsprojekt gewonnen. Wir müssen den Generationen nach uns auch die visuelle Kommunikation mit unsern Werten und Maßstäben einfach vermitteln! „Mühe“- Investitionen die sich lohnen.

    • speysight

      Ich bin natürlich neugierig: Welche Kamera wird die Dreijährige bekommen?
      Selbst bin ich auch durch das „Vorbild“ meines Vaters zum Fotografieren gekommen. Das war damals ja etwas Besonderes, zu fotografieren – und noch teuer …
      1964 habe ich als 8-J. eine Box geschenkt bekommen. Alles schwarz-weiß natürlich.
      Mein schönstes Geschenk …

    • Hallo, Thomas,
      ohne Deinen Beitrag hier hätte ich wohl niemals zu Deinen Seiten gefunden. Es lohnt sich also, liebe „stille“ Leser, eine Anmerkung zu schreiben, denn auch so macht man auf die eigene Arbeit aufmerksam!
      Meine Enkelin ist jetzt 11. Vor einigen Jahren habe auch ich ihr eine Kamera geschenkt. Bei der sind angeblich immer der Batterien leer. Also keine Bilder! Kann auch passieren!

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