Dortmund – Phoenix aus der Asche: Ost – Der See

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Natur, Ruhrgebiet und umzu

Dortmund – Phoenix aus der Asche: Ost – Der See

Der „Aussichtspunkt“ der Taube des vorherigen Beitrags

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war der Dortmunder Stadtteil Hörde von Hochöfen und Stahlproduktion bestimmt.
Es gab zwei Standorte: Phoenix-West (Hochöfen, Roheisenerzeugung) und Phoenix-Ost (Stahlhütte, Weiterverarbeitung von Roheisen) – keine zwei Kilometer auseinanderliegend und mit einem Wege- und Schienensystem miteinander verbunden.
Der ganze Stadtteil war eine gigantische Industrielandschaft mit (z.T. einfacher) Wohnbebauung für die dort Arbeitenden und ihre Familien.
Bis vor dem 2. Weltkrieg gab es dort bis zu sieben Hochöfen. Nach kriegsbedingten Zerstörungen arbeiteten in den 60ern bis zu 10.000 Beschäftigte in den Werken.

Bekannterweise waren Stahlerzeugung und -weiterverarbeitung in Deutschland Ende des 20. Jahrhunderts endgültig dem Untergang geweiht. Die drängende Frage war: Was geschieht mit dem riesigen Gelände, was mit Stahlwerk und Hochofen?
Phoenix-West (Stilllegung 1998) – Phoenix-Ost (Stilllegung 2001): zwei sehr unterschiedliche Entwicklungs- und Erfolgsgeschichten
Hier nun die erste: Phoenix-Ost:

Überraschenderweise fand sich nach ihrer Stilllegung ein Käufer für die Stahlhütte Phoenix-Ost: ein Unternehmen aus China.
Mehrere Hundert chinesische Shagang-Mitarbeiter sortierten und beschrifteten das Material, das Teil für Teil über die Nordsee nach China verschickt wurde: 250.000 t Material wurden in 4000 Seecontainern abtransportiert. Früher als geplant – nach ca. drei Jahren – stand am Ufer des Yangtse ein zweites Stahlwerk. Shagang wurde zwischenzeitlich zum größten privaten Unternehmen des Landes.
Das Phoenix-Ost-Gelände wurde nach dem dennoch noch teuren Abbau der verbliebenen Restanlagen 2010 geflutet.
2012 wird der PHOENIX-See freigegeben. PHOENIX ist nun eine Marke …

Seitdem ist dort auf dem Gelände der gigantischen Stahlhütte ein riesiger Freizeitpark entstanden mit Wanderwegen, Wassersport inkl. eines Hafens, einer kleinen Halde mit Aussichtspunkt und jeder Menge Gastronomie. Im Zentrum all dessen liegt der See: 1,2 km lang in Ost-West-Richtung, 320 m breit in Nord-Süd-Richtung. Mit einer Wasserfläche von 24 Hektar ist er größer als die Hamburger Binnenalster.
Die Bebauung rund um den See mit teuren Villen und Eigentumswohnungen und mit entsprechend wohlhabenden Besitzern – auch einige Prominente sind dabei, z.B. BVB-Spieler – kontrastiert mit dem „alten“ Hörde. Ganz konfliktlos ist die Mischung soziologisch nicht. Neben mondänem Publikum findet man auch eine ausgeprägte Drogenszene rund um den Stadtteil, in dessen Mitte es ein kleines, gewachsenes Zentrum mit vielen Geschäften gibt.

Der PHOENIX-See ist ein zentrales Naherholungsgebiet für die Menschen in Hörde und den umliegenden Stadtteilen geworden. Wie der NABU 2014 ermittelt hat, hat sich der Naturraum am See innerhalb von zwei Jahren zum Dortmunder Gewässer mit der höchsten Artenvielfalt an Wasservögeln entwickelt. Neben Reihern, Enten und Haubentauchern, Möwen, Eisvögeln und dem bedrohten Flussregenpfeiffer werden noch 40 weitere Arten dort gezählt.

Um sich um sich eine Vorstellung davon zu machen, wie dramatisch die Entwicklung von der Industrielandschaft mit Stahlwerk hin zum Freizeitgelände in Phoenix-Ost ist, lohnt es sich, diese Bilder oder auch den fünfminütigen Film „Wie aus einem Stahlwerk ein See wurde“ anzusehen.

 

Hier nun der Aussichtspunkt der Taube des letzten Beitrags: Sie saß in der sog. Thomasbirne, einem Industriedenkmal, das prominent auf einer Insel, der „Kulturinsel“, im See steht.
Die Veredlung von Roheisen geschah in Bessemer-Konvertern, die wegen ihrer Form „Birnen“ genannt wurden. Die Engländer Sidney Thomas und Percy Carlyle Gilchrist optimierten die Birne.

Das Mahnmal für Dortmunder Zwangsarbeitende befindet sich seit 2020 unweit der Thomasbirne auf der „Kulturinsel“ im Westen des Sees.
In der Industriestadt Dortmund gab es während des Zweiten Weltkriegs bis zu 80.000 Männer und Frauen, die Zwangsarbeit verrichteten. Fast ein Viertel dieser Arbeitskräfte musste allein für den Dortmund Hörder Hüttenverein im Werk Phoenix arbeiten – dort, wo jetzt der See liegt.

Freunde moderner (Wohn-) Architektur finden hier jede Menge interessanter Einblicke.

Die Hörder Burg, direkt am Ende des Seegeländes gelegen, hat ihre Ursprünge im 12. Jahrhundert als Wasserburg.
Das Hauptgebäude der Burg wurde ab 1894 zum Firmensitz der Hermannshütte, später unter dem Namen Phoenix-Ost bekannt, ausgebaut. Die Fassade wurde mit historisierenden Formen gestaltet.
Die Hörder Burg wurde 2009 saniert, bekam ein neues Dach und einen neuen Anstrich. Die Burg dient heute als Seminargebäude der Sparkassenakademie NRW.

Da wartet an prominenter Stelle neben der Burg noch ein einzelnes heruntergekommenes Schätzchen darauf, wachgeküsst zu werden.

Gasthaus aus dem 18. Jahrhundert – direkt am Zugang zum Seegebiet und – neben der Burg – das einzige alte Gebäude im Umkreis des Sees

 

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