Würzburg – Hidden Gem: Das Lusamgärtlein
Wer Würzburg einen Besuch abstattet, der wird sich über Langeweile nicht beklagen können – bei einem längeren Aufenthalt nicht und schon gar nicht bei einem Tagesausflug. Es gibt in Würzburg eine so große Zahl an bekannten Touristenattraktionen, dass die Auswahl schwerfällt:
Alte Mainbrücke, Festung Marienberg, Wallfahrtskirche Käppele, Residenz mit der Hofkapelle (auf den Spuren von Baltasar-Neumann), Würzburger Dom St. Kilian, Neumünster, Stiftung Juliusspital, Marienkapelle auf dem Marktplatz, etliche erstklassige Museen und und und …
Großartig!
… Und dann gibt es da noch ein schwer zu findendes Kleinod, das wohl kaum jemand auf seiner Würzburger Bucket List hat:
Es liegt mittendrin und doch weit weg, direkt an der Neumünsterkirche und der Fußgängerzone, ist aber schwer zu finden, ist unscheinbar, aber extrem liebenswürdig, schlicht, birgt aber einen besonderen Schatz. Mitten im Getümmel der Großstadt ist es eine Oase der Stille.
Gemeint ist das Lusamgärtlein, auch Lusamgärtchen genannt.
Einziger Zugang zum Lusamgärtlein ist das mit einer Tür versehene Tor auf dem Foto rechts hinten. Wenn man nicht weiß, dass sich dahinter etwas öffentlich Zugängliches verbirgt und dazu etwas sehr Schönes, käme man nicht auf die Idee, diese Tür zu öffnen. Dabei liegt sie direkt am Neumünster und auf der Rückseite von Geschäften der Fußgängerzone an der Martinstraße 4.
Hat man das Lusamgärtlein betreten, fühlt man sich sofort, als befinde man sich in einer anderen Welt.
Es ist still. Es ist schattig. Es ist schön.
Ein romantischer Rückzugsort.
Im Lusamgärtlein im ehemaligen romanischen Kreuzganghof kann man durchatmen.
Schaut man vom Weg durch die romanischen Kreuzgangbögen, sieht man einen Innenhof.
Dort gibt es nichts weiter als eine Bank, auf der man an den drei dort sitzenden Frauen gerade genau das beobachten kann, wozu diese Oase der Stille einlädt: zum ruhigen Sitzen und Nachdenken, zum Lesen … und zu intensiven Geprächen im kleinen Kreis.
… Und es gibt dort die angekündigte Kostbarkeit: Es ist die Grabstätte des Walther von der Vogelweide, des berühmtesten aller deutschen Minnesänger und mittelalterlichen Dichter.
Auf dem Grabstein des Walther von der Vogelweide findet man immer frische Blumen. Wer ein Blumensträußchen am Grabmal ablegt, dessen Liebeskummer soll heilen oder er wird eine neue Liebe finden. Frisch Verliebten wird zudem eine dauerhafte Liebe geschenkt.
Legenden um das Grab gibt es viele!
Auch diese: Walther von der Vogelweide soll sich gewünscht haben, dass sein Grab zur Fütterung von Vögeln genutzt werden soll: Auf dem Grabmahl findet man jedenfalls vier napfartige Einkerbungen.
Walther von der Vogelweide starb um 1230, der jetzige Grabstein wurde jedoch erst 1930 errichtet, also gut 700 Jahre später.
Dieses Schild, angebracht außen neben der Eingangstür zum Lusamgärtlein, ist der einzige Hinweis darauf, was sich hinter der unscheinbaren Pforte befindet.
Auf der Innenseite des Eingangsbereiches gibt es dann noch einige zusätzlichen Informationen.
Walther von der Vogelweide
Mittelhochdeutsch
Ich saz ûf eime steine
und dahte bein mit beine:
dar ûf satzt ich den ellenbogen:
ich hete in mîne hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange.
dó dâhte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben.
deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der keines niht verdurbe.
diu zwei sint êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot:
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
diu wolte ich gerne in einen schrîn.
jâ leider desn mac niht gesîn,
daz guot und weltich êre
und gotes hulde mêre
zesamene in ein herze komen.
stîg unde wege sint in benomen:
untriuwe ist in der sâze,
gewalt vert ûf der strâze:
fride unde reht sint sêre wunt.
diu driu enhabent geleites niht,
diu zwei enwerden ê gesunt.
Hochdeutsch
Ich saß auf einem Steine
und deckte Bein mit Beine,
darauf der Ellenbogen stand;
es schmiegte sich in meine Hand
das Kinn und eine Wange.
Da dachte ich sorglich lange,
Wozu auf Erden dient dies Leben?
Und konnte mir nicht Antwort geben,
wie man drei Ding’ erwürbe,
dass ihrer keins verdürbe.
Zwei Ding’ sind Ehr’ und zeitlich Gut,
das oft einander Schaden tut,
das dritte Gottes Segen,
den beiden überlegen.
Die hätt ich gern in einem Schrein.
Doch mag es leider nimmer sein,
dass Gottes Gnade kehre
mit Reichtum und mit Ehre
zusammen ein ins gleiche Herz.
Sie finden Hemmnis allerwärts;
Untreu hält Hof und Leute,
Gewalt geht aus auf Beute,
Gerechtigkeit und Fried ist wund,
Die drei genießen kein Geleit,
Eh diese zwei nicht sind gesund.
Ein wunderbarer Beitrag! Eindrucksvolle Bilder und ein sehr informativer Text. Ich bin gespannt, ob, ich zur Tür finde! Demnächst. Morgen besuchen uns Freunde aus Würzburg, ich werde nach dem Gärtchen fragen.
Gruß Volker
Ich liebe es sehr. Jedesmal, wenn wir dort sind – wir haben Verwandte bei Würzburg wohnen –, gehe ich hin.
Auf dem Franconiabrunnen vor der Residenz sieht man ihn so sitzend neben Tilman Riemenschneider und Matthias Grünewald.
Danke. Wusste ich noch gar nicht.