Nummer 1
Gar nicht so einfach, einen Foto-Blog zu beginnen. Womit anfangen? Welches Bild soll das erste sein?
Ich habe eigentlich schon immer fotografiert. Mit acht Jahren habe ich damals Anfang der Sechziger eine einfache Box geschenkt bekommen, die quadratische Fotos machte. Schwarz-weiß natürlich. Und mit einem Kassettenfilm.
Es war Liebe auf den ersten Klick.
Ich war Kind, dann Jugendliche – hatte aber immer kaum Geld, um Filme und deren Entwicklung zu bezahlen. Schon sehr bald zeigte sich, dass ich Bilder machte, mit denen andere etwas anfangen konnten. Also fotografierte ich auf Klassentreffen und -fahrten, Feten und Partys, Geburtstagen und allen möglichen anderen Gelegenheiten und bot meine Bilder zum Kauf an. Das funktionierte.
Immer schon machte ich auch Bilder mit „unsinnigen“, teilweise „abstrakten“ Motiven, die keiner kaufen wollte, mir aber wesentlich waren. Keine Ahnung, warum.
Mit 13 arbeitete ich die ganzen Sommerferien über in einer Fabrik, die Frostschutzmittel abfüllte, am Fließband. Eine eklige Arbeit. Ich verdiente damals, Ende der Sechziger, 3,63 DM die Stunde. Diesen Betrag werde ich nie vergessen. Auch nicht meine Empörung darüber, dass Ältere für die exakt gleiche Arbeit deutlich mehr verdienten als ich. Für mein Gehalt kaufte ich mir eine Kleinbildkamera. Damals von Quelle. Ein russisches Modell. Es war ein schwerer Apparat, der über ein Kilo wog. Und erstaunlich gut war.
Mit genau dieser Kleinbildkamera machte ich Ende der Siebziger, mit knapp 20, mein Bild „Nummer 1“.
Warum ich nun genau mit diesem Bild meinen Blog beginne?
Nun – bis dahin hatte ich fotografiert, um Bilder zu verkaufen, um weiterfotografieren zu können. Bilder mit Personen, die möglichst gut aussehen sollten, damit sie mit dem Kauf eben dieser Bilder meinen Umsatz förderten. Alle anderen Bilder waren eher „Abfallprodukte“, „brotlose Spielerei“.
Dann sah ich nach dem Entwickeln plötzlich Bild „Nummer 1“. Es traf mich wie ein Blitz. Ich war fassungslos. „Das bin ja ich!“, war damals meine erste Reaktion. Ich nannte das Bild „Herz“.
Es gibt so etwas wie Initiationserlebnisse. Dieses Bild war eines. Ich erkannte mit einem Schlag die Wirklichkeit hinter und in der Wirklichkeit und dass jedes Foto, das ich mache, auch etwas über mich selbst aussagt. Ausdruck meines Zustandes ist und meiner Wirklichkeit.
Von da an fotografierte ich anders. Natürlich machte ich weiterhin Bilder – nun aber bewusster – auf allen möglichen Veranstaltungen, um mein Hobby finanzieren zu können. Meine Leidenschaft aber galt ab Bild „Nummer1“, dem „Herz“, dem Sichtbarmachen von Wirklichkeit, immer im Wissen darum, dass jedes Bild auch eine Selbstaussage ist. Und ich lernte viel aus meinen eigenen Fotos – weniger über eine mögliche Perfektionierung der Technik des Bildermachens als über mich selbst.
Und so habe ich Bild „Nummer 1“, das „Herz“, eingescannt, um es als erstes Bild in meinen Blog zu stellen.
Übrigens: Die Tatsache, dass ein Bild immer auch Selbstaussage ist, gilt für jedes Bild und für jeden Fotografen. Wenn das alle wüssten …
was für eine schöne idee …. und so an-sprechend und an-schaulich umgesetzt.
das erste bild ist wirklich angemessen, die persönliche geschichte dazu hat mich sehr berührt.
ich entdecke – wie auch schon in speybridge – kleine parallelen. es sagte mal jemand zu mir „wie machst du das nur, dass deine fotos so viel erzählen? meine sind immer ganz nichtssagend.“
unbekannterweise: vielen dank und herzliche grüße aus dem Büro für besondere Maßnahmen.
ps.
den font im titel und in der überschrift finde ich wunderschön!
aber die farbe des textes in der kommentarbox für meine alternden augen viel zu blass …
Wenn ein Blog mit einem derartigen Eintrag beginnt, der so viel Herz hat (im Bild wie auch im Text), dann kann das ja nur was werden.
Glückwunsch zum „Blog-Neubeginn“.
Ich danke Euch beiden sehr für Eure lieben, motivierenden Kommentare. Das hatte ich gar nicht erwartet! Wie schön!
Der Blog ist ganz frisch von gestern und hat noch einige Design-Unstimmigkeiten, wie das „Büro“ (Grüß Dich …) richtig feststellt. Wird sich schnell geben, hoffe ich.
Ich bin selbst gespannt, welche Bilder mir im Weiteren so in die Hände fallen werden, vermutlich zunächst noch ein paar der „ganz alten“. Diese Entdeckungsreise in meine „Bildervergangenheit“ finde ich durchaus spannend.
Ich hoffe, Ihr bleibt dabei – und ich freue mich auf weitere freundliche und bitte auch kritische Kommentare …
speysight