07.12.1970: Willy Brandts Kniefall in Warschau

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Europa (-politik), Polen, Zum Tage

07.12.1970: Willy Brandts Kniefall in Warschau

Heute vor 43 Jahren ereignete sich etwas, das in Zeiten des Kalten Krieges völlig undenkbar schien und das nach dem aufsehenerregenden Besuch von Willy Brandt in Erfurt im Frühjahr desselben Jahres einen weiteren Meilenstein in der sich entwickelnden vorsichtigen Annäherung von Ost und West bedeutete:
Anlässlich seines Besuches am 7. Dezember 1970 in Warschau zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrages zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland legte Willy Brandt am Ehrenmal der Helden des Ghettos einen Kranz nieder – und sank danach auf die Knie und blieb so schweigend eine halbe Minute.
Dieser Kniefall, diese völlig unerwartete und emotional aufwühlende Geste, wurde von aller Welt als Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs aufgenommen.
Willy Brandt prägte mit seinem symbolträchtigen Auftreten einen völlig neuen Stil der Ostpolitik und eröffnete so neue Möglichkeiten des Auf-einander-Zugehens von Ost und West, das schließlich nach langen Jahren 1989 zum Fall der Mauer führte – für mich das wirklich wichtigste Ereignis meines Lebens außerhalb des Geschehens in meiner Familie.
Wir sind nach 1989 oft und immer wieder in den Osten Deutschlands und dann auch Europas gefahren – und tun es mit ungemindeter Freude bis heute hin regelmäßig. In diesem Jahr haben wir zum dritten Mal drei Wochen Urlaub in Polen verbracht, u.a. in Warschau.
Das Mahnmal liegt in einem nicht wirklich schönen Randgebiet der Warschauer Innenstadt, im Bereich des damaligen jüdischen Ghettos. Der Platz, auf dem sich das Denkmal befindet, wird aber momentan sehr aufgewertet durch einen spektakulären Neubau, nämlich den des Museums der Geschichte der polnischen Juden. Das Titelbild dieses Beitrags ist durch ein Fenster dieses Museums aufgenommen; ich werde diesen Bau demnächst näher vorstellen.
Das „Denkmal der Helden des Ghetto“ wird heute noch gut besucht, scheint mir. Um es ohne Menschen aufnehmen zu können, musste ich eine Weile warten: Immer wieder standen dort einzelne oder Gruppen still im Gedenken an all das, was mit diesem Ort verbunden ist – vom Gedenken an die Opfer des Warschauer Ghettos bis hin zur Erinnerung an den symbolträchtigen Kniefall von Willy Brandt.
Eben habe ich gesehen, dass das Handelsblatt dem Jahrestag des Kniefalls einen Artikel gewidmet hat. Leider ist dies wahr, was dort am Ende des Berichts ausgedrückt wird: „Kurz vor dem hundertjährigen Geburtstag Brandts bedauert Ruchniewicz (Direktor des Willy-Brandt-Zentrums an der Universität Breslau), dass Politiker mit einem vergleichbaren Charisma Seltenheitswert haben: ‚Heute gibt es keine Visionäre mehr, die ihre Ziele konsequent und verantwortlich verfolgen.’“
Das ist wohl so … und dabei würden heute genau diese so dringend benötigt …

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Nicht weit weg vom Mahnmal, vielleicht 200 m, entstand im Jahr 2000 zu Ehren des Kniefalls von Willy Brandt ein Denkmal aus Backstein mit einer Bronzetafel von Wiktoria Czechowska Antoniewska. Der Platz, der diese Gedenktafel umgibt, heißt entsprechend Skwer Willy’ego Brandta (Willy-Brandt-Platz).

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