Hameln – Münster St. Bonifatius

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Deutschland, Kunst, Wandmalerei, Wesensraum

Hameln – Münster St. Bonifatius

Im letzten Beitrag habe ich Hameln als Rattenfängerstadt vorgestellt – wunderschön und voller Fachwerkhäuser und Bauten der Weserrenaissance.
Wie sehr viele der (damals meist wohlhabenden) Hansestädte hat auch Hameln bedeutende mittelalterliche Kirchen im Zentrum vorzuweisen:
Marktkirche Sankt Nicolai, benannt nach dem hl. Nikolaus, Bischof aus Myra (4. Jh) – Hamelns zweitälteste Kirche mit Baubeginn in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts
–  Münster St. Bonifatius – der älteste Kirchenbau Hamelns mit Anfängen im 9. Jahrhundert
Die Marktkirche steht unübersehbar und prominent mitten im Zentrum der Altstadt. Die Münsterkirche liegt zwar auch mittendrin, direkt neben der Fußgängerzone – aber trotzdem etwas versteckt. So groß sie ist, als Tourist fällt sie einem nicht sofort ins Auge.
Aber dann …

St. Bonifatius hat eine wechselvolle Baugeschichte. Wesentlich prägend sind Romanik (nord-südliche Querhaus mit Vierungsturm und Westturm) und Gotik (das zur Hallenkirche umgebaute dreischiffige Langhaus). Mit der Reformation – viel später als in der Marktkirche St. Nikolai (1540) – gegen 1576 wurde die mittelalterliche Ausstattung größtenteils entfernt. Gegen Ende des 18. Jh begann die Kirche zu verfallen, wurde schließlich aufgegeben und diente im frühen 19. Jh als Stall und Speicher. Jahrzehnte später wurde der Wille stark, die Kirche wiederherzustellen, Sie konnte 1875 erneut eingeweiht werden. Ab dem dritten Viertel des 20. Jh wurde sie nochmals grundsaniert. Neuromanische Kunstwerke wurden z.T. durch zeitgenössische ersetzt.

 


Raumgefühl und Atmosphäre in St. Bonifatius haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Ich liebe einfach mittelalterliche Kirchen, deren ursprüngliche Gestaltung und Atmospäre bewahrt wurden.


Besonders angetan hat es mir auf den ersten Blick – und es ist ja nun wirklich ein wunderbarer Blickfang – das romanische Kreuz, das im Hauptschiff des Kirchenraums schwebt.
Klassisch, klar, pur – romanisch eben.
Nun ja.
Natürlich ist die Formgebung romanisch – das Kreuz selbst aber ist „neu“: Christus-Skulptur von Günter-Heinrich-Peter Schulz von 1992-95 – einem Holzkruzifix, 3. Viertel des 12. Jh., aus der Sammlung Batlló (Barcelona), nachempfunden.
Text (Rückseite): ” Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid,…”, Matth.11
Das Wissen darum, dass dieses Kreuz ein zeitgenössisches Kunstwerk ist, hat allerdings an meiner Bewunderung für diese Darstellung nicht gemindert.


Madonnenrelief (1. Drittel des 15. Jh.)
Ein seltenes Steinrelief, ursprünglich farbig: Maria mit dem Jesuskind wird von zwei Engeln gekrönt. Dies entspricht Vorstellungen der Volksfrömmigkeit, in der Maria schon seit dem MA als Himmelskönigin verehrt wird.


Stifterstein aus Kalksandstein, die ehemalige Grabplatte für ein Stifterehepaar, stammt aus der Zeit um 1380/1390


Der älteste Teil der Kirche, der bis in die Zeit ihrer Gründung zurückreicht, ist die Krypta.
Im jetzigen Zustand stammt sie aus der Zeit um 1120-40, der Altarraum wurde im 13. Jahrhundert hinzugefügt.
Wie das wunderbare „romanische Kreuz“ oben im Kirchenraum sind auch die meisten Ausstattungsstücke in der Krypta eigenständige Werke der modernen Kunst, die aber die Atmosphäre der mittelalterlichen Kunst atmen:
Hiob-Relief („Erinnerung an die Folgen von Streit und Krieg 1939-1945“) und Osterfenster (1955) in der Zwergkrypta, beide von Helmut Uhrig, Stuttgart


Blick aus der Zwergkrypta zu Altar und Osterfenster


Taufstein aus dem Mittelalter, Datum unbekannt


Witzig fand ich diese Ecke mit ihren so unterschiedlichen Aspekten, Symbolen und Bildern. An ihr sind wir auf dem Weg zur Kirche von der Fußgängerzone kommend, vorbeigegangen.

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